Antrag auf fehlerbeseitigende Fortschreibung gem. § 222 BewG nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist der Bescheide über den Grundsteuerwert und Grundsteuermessbetrag
Die Vorschrift des § 222 BewG über die Fortschreibung von Grundsteuerwerten dient in erster Linie der Fortführung der einzelnen Grundsteuerwerte entsprechend der Entwicklung der Verhältnisse der wirtschaftlichen Einheit in der Zeit zwischen zwei Hauptfeststellungszeitpunkten, die nach § 221 BewG in zeitlichen Abständen von jeweils sieben Jahren durchzuführen sind.
Allerdings ist die Regelung nicht nur auf die Zeit zwischen den Hauptfeststellungszeitpunkten beschränkt, sondern umfasst auch den Zeitraum nach einer Nachfeststellung. Änderungen über den Wert, die Art oder die Zurechnung des Gegenstandes, die nach einer gem. § 223 BewG durchgeführten Nachfeststellung eintreten, führen somit ebenfalls zu einer Fortschreibung gem. 222 BewG.
Da jeder Feststellungsbescheid über einen Grundsteuerwert – unabhängig davon, ob es sich um eine Hauptfeststellung oder um eine Nachfeststellung handelt – im Wesentlichen drei Feststellungen enthält, nämlich über den Wert, die Art und die Zurechnung des Gegenstandes, muss grundsätzlich eine Fortschreibung vorgenommen werden, wenn sich in einem dieser Punkte etwas ändert oder eine Wertabweichung vorliegt. Dementsprechend wird zwischen der Wertfortschreibung, der Artfortschreibung und der Zurechnungsfortschreibung unterschieden.
Fehler bei der Feststellung über den Grundsteuerwert können, insbesondere bei bestandskräftigen Feststellungsbescheiden über den Grundsteuerwert mit einem Antrag auf fehlerbeseitigende Fortschreibung gem. § 222 Abs. 3 S. 1 BewG beseitigt werden. § 222 Abs. 3 S. 1 BewG regelt, dass eine Fortschreibung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung vorgenommen werden darf. Der Fehler kann sich hierbei auf den Wert, die Art oder (und) die Zurechnung beziehen.
Voraussetzung für eine Berichtigung aufgrund einer Wertfortschreibung ist, dass der neue Grundsteuerwert gegenüber dem zuletzt festgestellten Wert um mehr als 15.000 Euro abweicht.
Begrifflich kann eine Fortschreibung nur für einen bereits ergangenen, wirksamen Feststellungsbescheid in Betracht kommen.[1] Von der Fortschreibung eines Feststellungsbescheids ist die Berichtigung und Änderung eines Feststellungsbescheids zu unterscheiden. Im Fall der Berichtigung und Änderung wird im Gegensatz zur Fortschreibung ein bisher unrichtiger Feststellungsbescheid beseitigt und durch einen neuen Bescheid zum gleichen Feststellungsbescheid ersetzt.[2]
Der auf einen späteren Zeitpunkt erstellte Fortschreibungsbescheid tritt neben den zu einem anderen Stichtag erlassenen Grundsteuerwertbescheid und lässt damit weiterhin Raum für eine Korrektur des ursprünglichen Bescheides, soweit die Änderungsvorschriften der AO (vgl. §§ 172 ff. AO) greifen. Das gilt auch hinsichtlich einer Berichtigung des Grundsteuerwertbescheides nach § 129 AO.
Über § 222 Abs. 3 S. 1 BewG ist die Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers als besonderer Fortschreibungstatbestand neben den Berichtigungsmöglichkeiten gem. §§ 172 ff. AO normiert. Gleichzeitig wurde der allgemeine Vertrauensschutzgedanke durch einen Verweis auf die Vorschrift des § 176 AO in § 222 Abs. 3 S. 2 BewG aufgenommen.
Die fehlerbeseitigende Wertfortschreibung setzt voraus, dass die vorangegangene Feststellung einen oder mehrere Fehler enthält, sich die Fehler auf das Ergebnis der vorangegangenen Feststellung ausgewirkt haben und diese Feststellung nicht nach den Vorschriften der AO abänderbar ist. Der Fehlerbegriff umfasst jede objektive Unrichtigkeit, also sowohl die unzutreffende Tatsachenwürdigung als auch die unrichtige Anwendung von Rechtsvorschriften.[3]
Die fehlerbeseitigende Wertfortschreibung setzt nicht voraus, dass der Fehler seine Ursache in der Unkenntnis des Finanzamts über die tatsächlichen Verhältnisse hat. Deshalb kommt eine Fehlerbeseitigung durch Fortschreibung auch dann in Betracht, wenn dem Finanzamt die tatsächlichen Verhältnisse bekannt waren, es diese Verhältnisse aber rechtlich unzutreffend beurteilt hat.[4]
Tipp
Der Steuerpflichtige kann jederzeit eine Fortschreibung gem. § 222 Abs. 3 BewG beim Finanzamt beantragen, wenn er der Meinung ist, Art oder Wert der wirtschaftlichen Einheit seien unzutreffend festgestellt worden. Hieraus ergibt sich auch eine Korrekturmöglichkeit, wenn das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells oder der einzelnen Ländergesetze zur Grundsteuerreform äußert und möglicherweise Nachbesserungen einfordert.[5] Fehler, die z. B. aufgrund einer falschen Zuordnung von Räumen (Kellerräume als Wohn- oder Nutzfläche und nicht als Zubehörräume) bestehen, können über eine Fortschreibung trotz Ablauf der Rechtsbehelfsfrist berichtigt werden.
[1] Vgl. BFH vom 13.06.1984, III R 131/80, BStBl. II 1984, 816
[2] Vgl. BFH vom 16.05.1975, III R 138/73, BStBl. II 1975, 678
[3] Vgl. BFH vom 31.07.1981, III R 127/79, BStBl. II 1982, 6; BFH vom 17.02.1999, II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452
[4] Vgl. Stenger/Loose, Bewertungsrecht – Kommentar zum BewG, ErbStG und GrStG, BewG § 222 Fortschreibungen, Rz 136
[5] Vgl. BFH im AdV-Verfahren vom 27.05.2024, II B 78/23 und II B 29/23, BFH/NV 2024, 962 und 966
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