Die inkongruente Gewinnausschüttung bei einer GmbH richtig umsetzen
Die Gewinnverteilung an die Anteilseigner einer GmbH erfolgt nach § 29 Abs. 3 GmbHG grundsätzlich im Verhältnis der nominellen Beteiligung am Nennkapital. Davon abweichende sog. inkongruente bzw. disquotale Gewinnausschüttungen sind handelsrechtlich zulässig, wenn im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt wird.
Sieht der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung die Möglichkeit der inkongruenten Gewinnausschüttung nicht vor, kann die Satzung in der Regel auch nachträglich geändert werden. Ausnahmen können sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ergeben.
Um sich alle Optionen für die Zukunft offen zu halten und zur Vermeidung von Konflikten mit der Finanzverwaltung bei der Frage der steuerlichen Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung, sollte in der Satzung jeder GmbH eine sogenannte„Öffnungsklausel“ Sorge dafür tragen, dass unter bestimmten Voraussetzungen inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig sind.
Ist eine solche Regelung in der Satzung enthalten und wird ein der Satzung entsprechender Beschluss getroffen, ist die inkongruente Gewinnausschüttung gesellschaftsrechtlich wirksam. Das BMF hat mit Schreiben vom 17.12.2013 klargestellt, dass inkongruente Gewinnausschüttungen und inkongruente Wiedereinlagen grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen sind und keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO darstellen, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.[1]
Dies gilt nach neuester Rechtsprechung selbst dann, wenn zunächst die auf einen Mehrheitsgesellschafter entfallenden Gewinnanteile thesauriert werden (zeitlich disquotale Gewinnausschüttung) und sie später auf Grund eines neuerlichen wirksamen Beschlusses aus der gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage ausgeschüttet werden (spätere inkongruente Ausschüttung).
Der BFH weitet damit die steuerliche Anerkennung einer anteilsabweichenden Verteilung des Gewinns ausund bietet der Gestaltungspraxis neue Möglichkeiten, auch in zeitlicher Hinsicht eine Inkongruenz herbeizuführen. Die Bedürfnisse der Gesellschafter und die wirtschaftliche Situation der Kapitalgesellschaft können auch bei auseinandergehenden Interessenlagen deutlich besser individuell befriedigt werden. Die partiellen Gewinnthesaurierungen dienen der Innen- bzw. Selbstfinanzierung und beruhen auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen. Die Einstellung in eine gesellschafterbezogene (oder auch „angestrichene“) Rücklage verhindert, dass diejenigen Gesellschafter, die aktuell nicht an einer Ausschüttung teilnehmen wollen, im Zeitpunkt der Ausschüttung ihres thesaurierten Gewinnanteils benachteiligt werden. Die Einstellung in eine gesellschafterbezogene Rücklage gewährleistet, dass eine spätere Ausschüttung nicht an alle Gesellschafter anhand der Beteiligungsverhältnisse erfolgt.
Der BFH stellt klar, dass soweit eine Thesaurierung im Wege der Einstellung in eine personenbezogene Gewinnrücklage erfolgt ist, der Gewinn im Eigenkapital der jeweiligen Gesellschaft verbleibt, wie der entsprechende bilanzielle Ausweis bestätigt.
Tipp
Handelsrechtlich setzt sich das Kapitalkonto der GmbH gem. § 266 HGB aus dem gezeichneten Kapital, der Kapitalrücklage, den Gewinnrücklagen, dem Gewinn- bzw. Verlustvortrag und dem Jahresüberschuss bzw. –fehlbetrag zusammen. Eine Kapitalkontenentwicklung – wie sie typischerweise im Rahmen der Jahresabschlusserstellung bei Personengesellschaften vorzufinden ist – wird bei der Kapitalgesellschaft nicht erstellt. Vielmehr regelt § 270 i.V.m. § 272 HGB die Darstellung von Kapital- und Gewinnrücklagen sowie deren Veränderungen.
Aus Beratersicht ist daher dringend zu empfehlen, die sogenannten personenbezogenen Gewinnrücklagekonten zumindest außerbilanziell so transparent wie möglich zu erfassen, damit Streitigkeiten mit Gesellschaftern, insbesondere jedoch mit der Finanzverwaltung vermieden werden können. Zweckmäßig wäre dabei eine nicht nur gesellschafterbezogene (keine Buchung der gesamten Gewinnrücklage für das jeweilige Jahr auf ein Konto, sondern Einzelbuchungen der Gewinnanteile pro Gesellschafter) Verbuchung der Gewinnanteile auf das entsprechende Gewinnrücklagenkonto in der Bilanz, sondern auch eine entsprechende Betextung der Buchung mit den wesentlichen Inhalten der Vereinbarungen.
Die Gesellschafterbeschlüsse sind den Grundsätzen der Klarheit und Übersichtlichkeit folgend, grundsätzlich bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen. Gleichzeitig gebietet § 270 Abs. 2 HGB die Pflicht Entnahmen aus Gewinnrücklagen sowie Einstellungen in Gewinnrücklagen, die nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorzunehmen sind oder aufgrund solcher Vorschriften beschlossen worden sind, bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen.
Quellen:
[1] Vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2013, IV C 2 – S – 2750a /11/ 10001
[2] Vgl. BFH-Urteil vom 28.09.2021, VIII R 25/19, BFH/NV-2022-0267