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Die Reform der Kleinunternehmerregelung – die neue Umsatzgrenze wirkt wie ein „Freibetrag“

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG grundlegend reformiert. Die Vorschriften sind an die Vorgaben der EU-Richtlinie 2020/285 angepasst und deren Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Umsätze mit einem besonderen Meldeverfahren gem. § 19a UStG erweitert worden.

In § 19 Abs. 1 UStG werden von im Inland ansässigen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze nunmehr von der Umsatzsteuer befreit. Die bisherige Regelung, dass keine Umsatzsteuer erhoben wird, wurde aufgehoben. Künftig erzielt der inländische Kleinunternehmer steuerfreie und damit vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze.

Voraussetzung für die Befreiung ist, dass der inländische Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 2 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet.

Im Gegensatz zur bisherigen Regelung handelt es sich hierbei um den (Netto)-Gesamtumsatz. Ein ausschließlich regelsatzversteuernder Unternehmer kann die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, wenn seine Einnahmen im Kalenderjahr 2024 max. 29.750 Euro inklusive Umsatzsteuer betragen haben und die Grenze von 119.000 Euro im Kalenderjahr 2025 nicht überschreiten. Eine Prognosebetrachtung ist nicht mehr notwendig. Bis zum Überschreiten des Grenzwertes in Höhe von 100.000 Euro netto bleiben die Umsätze weiterhin nach § 19 Abs. 1 UStG steuerfrei. Wird diese Grenze jedoch im laufenden Jahr überschritten, wechselt der Unternehmer unterjährig zur Regelbesteuerung. Die bis dahin erzielten Umsätze bleiben steuerfrei. Der Regelbesteuerung unterliegt bereits der Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird und jeder weitere folgende Umsatz.

Tipp

Unternehmensneugründer starten ab 2025 automatisch als Kleinunternehmer, ohne eine Prognose des Jahresumsatzes abgeben zu müssen. Bei Aufnahme einer erstmaligen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit ist § 19 Abs. 1 S. 1 UStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 25.000 Euro nicht überschreitet.[1]

Übt der Steuerpflichtige bereits im Kalenderjahr 2024 eine unternehmerische Tätigkeit aus und erzielt z.B. umsatzsteuerfreie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, gilt bereits für das Jahr der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit im Kalenderjahr 2025 die Umsatzgrenze von 100.000 Euro und nicht die Grenze von 25.000 Euro. Der Unternehmer zahlt damit im Idealfall auf die ersten 100.000 Euro seiner Einnahmen aus der gewerblichen Tätigkeit keine Umsatzsteuer.

Gleiches gilt, wenn der Unternehmer zwar im Kalenderjahr 2024 noch keine Einnahmen aus gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit erzielt hat, aber bereits erste Vorbereitungshandlungen vollzogen hat, sodass für die Betrachtung der Umsatzgrenze ebenfalls die Grenze von 100.000 Euro maßgeblich ist, da die Unternehmereigenschaft bereits mit dem ersten Tätigwerden beginnt.

Erst mit dem Überschreiten der maßgeblichen Umsatzgrenzen gleitet der Steuerpflichtige in die Regelbesteuerung über und der erste über 25.000 Euro bzw. 100.000 Euro liegende Umsatz unterliegt der Besteuerung.

Beispiel

Vermieter V erzielt bereits seit 2020 umsatzsteuerfreie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf ihn übertragenen Wohnimmobilie. V beabsichtigt einen Betrieb im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus zu gründen. Die Gewerbeanmeldung erfolgt am 01.04.2025. Größere Investitionen erfolgen zunächst nicht, da das notwendige Equipment bereits vorhanden ist.
V ist Kleinunternehmer gem. § 19 UStG. Aufgrund seiner bereits ausgeübten beruflichen Tätigkeit seit 2020 gilt für V die Umsatzgrenze von 100.000 Euro. Sämtliche Umsätze bis zu einem Betrag in Höhe von 100.000 Euro netto verbleiben bei V steuerfrei.
Die Steuerbefreiung ist ab 2025 als gesetzlicher Regelfall ausgestaltet. Der inländische Kleinunternehmer kann gem. § 19 Abs. 3 UStG jedoch bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres unwiderruflich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer dabei jeweils für fünf Kalenderjahre und gilt vom Beginn des ersten Kalenderjahres, für das die Erklärung gilt. Ein Widerruf kann nach Ablauf der fünf Kalenderjahre zu Beginn jedes folgenden Kalenderjahres ausgesprochen werden. Die Erklärung des Widerrufs ist formlos möglich. Eine erneute fünfjährige Bindungswirkung erfolgt nicht.

Weitere Folgeänderungen finden sich z.B. in § 15 und § 15a UStG. § 34a UStDV regelt die Möglichkeit der vereinfachten Rechnungsausstellung.

Für den steuerlichen Berater gilt es, im Einzelfall zu überprüfen, ob die Anwendung der Kleinunternehmerregelung oder die Option zur Regelbesteuerung, die für den steuerpflichtigen Unternehmer günstigere Variante darstellt. In Fällen, in denen der Kleinunternehmer überwiegend Umsätze an Privatpersonen oder nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer erbringt, wird ein Verzicht auf die Kleinunternehmerbesteuerung in aller Regel nicht sinnvoll sein.

Hinweis

 

Bei Unternehmern mit Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage, bei denen der Erwerb der Photovoltaikanlage gem. § 12 Abs. 3 UStG dem sogenannten Nullsteuersatz (ab 2023) unterlegen war, sind die Einnahmen aus der Stromeinspeisung in die o.g. Umsatzgrenzen mit einzubeziehen, obwohl sie dem steuerlichen Berater oft nicht oder erst spät bekannt werden. Der Sachverhalt ist daher im Vorhinein aufzuklären.

[1] Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucksache 20/12780, S. 183; sinngemäß wie bisher Abschnitt 19.1 Abs. 4 S. 1 UStAE

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