In der Praxis oft nicht erkannt: das einheitliche Beschäftigungsverhältnis
Mit dem Beschäftigungsverhältnis wird grundsätzlich ein Arbeitsverhältnis bezeichnet. Der Begriff „Beschäftigung“ ist im Sozialrecht als nichtselbständige Arbeit mit Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in die Arbeitsorganisation bzw. den Betrieb des Weisungsgebers definiert.[1] Auch wenn im Regelfall eine Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird, unterfallen auch andere Beschäftigungsverhältnisse der Versicherungspflicht, ohne Arbeitsverhältnis zu sein (z. B. der Fremd-Geschäftsführer).
Mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber werden versicherungsrechtlich als eine Einheit betrachtet. Dabei ist auf den in der Sozialversicherung verwendeten Begriff des Arbeitgebers abzustellen, der einen eigenständigen Inhalt hat. Für die Feststellung, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist demnach allein zu prüfen, ob Arbeitgeberidentität besteht. Die Art der jeweils ausgeübten Beschäftigung ist dabei unbedeutend; es ist also nicht erforderlich, dass bei einem Arbeitgeber gleiche oder funktionsverwandte Tätigkeiten ausgeübt werden.[2]
Hat ein Arbeitgeber mehrere Betriebe, ist unabhängig davon, in welchen Betrieben oder Betriebsteilen die jeweilige Beschäftigung ausgeübt wird, von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um organisatorisch selbständige Betriebe handelt.
Eine „Aufspaltung“ der Arbeitgeberfunktion durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen ist für die Beurteilung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung ohne Wirkung. Übt ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber zwei einzelvertraglich vereinbarte Beschäftigungen aus, werden sie hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung wie ein Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber behandelt.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auch für § 40a Abs. 2 EStG eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorzunehmen ist. Daher ist ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis in der Regel gegeben, wenn die beschäftigte Person eine geringfügige und eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausübt.[3]Das Finanzgericht stellt klar, dass der zivilrechtliche, der sozialversicherungsrechtliche und der lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff allein daran anknüpfen, wer den Anspruch auf die nach Maßgabe des Weisungsrecht geschuldete Arbeitskraft hat. Eine geringfügige Tätigkeit kann nur dann zusammen mit einer Haupttätigkeit beim gleichen Arbeitgeber ausgeübt werden, wenn die Arbeitsverhältnisse nach objektiven Kriterien abgrenzbar sind.
Beispiel
Franz Fleißig befindet sich in einem Beschäftigungsverhältnis in Vollzeit bei der Bäckerei „Ben Becker“. Gleichzeitig übt er bei der Firma „Leckerkuchen vom Lande e.K.“ (Inh. Ben Becker), hierbei handelt es sich um ein Café, eine geringfügige Beschäftigung aus.
Grundsätzlich wäre die geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, wenn das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt.
Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich in diesem Fall aber um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis. Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch, wenn nach § 8 Abs. 2 SGB IV die Versicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich sei, es keinen Hinweis darauf gebe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers damit auch eine weitere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber versicherungsfrei sein solle.[4]Die Trennung der Betriebe über unterschiedliche Betriebsnummern, Lohnbuchführungen und Meldungen an unterschiedliche Berufsgenossenschaften können Mängel in der Trennung der Tätigkeiten nicht heilen.
Tipp
Mit Änderung der Geringfügigkeitsrichtlinien vom 16.08.2022 wurde nunmehr klargestellt, dass von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis nicht auszugehen ist, wenn ein auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages zur Berufsausbildung Beschäftigter zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung im Ausbildungsbetrieb im Rahmen eines Arbeitsvertrages aufnimmt. Die Eigenart des Berufsausbildungsverhältnisses lässt es nicht zu, die Beschäftigung zur Berufsausbildung mit der geringfügigen Beschäftigung im Sinne einer einheitlichen Beschäftigung zu verbinden. Die in einer Ausbildungs-, Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebenen Praktika von Studenten und Schülern sowie die Teilnahme an einem dualen Studiengang gelten dabei ebenfalls als Beschäftigungen zur Berufsausbildung.[5]
Für Ausbildende und Studierende bedeutet das, das Sie Ausbildung und Minijob beim gleichen Arbeitgeber ausüben dürfen. Der Arbeitgeber zahlt die üblichen Sozialabgaben und eine Pauschalsteuer in Höhe von 2% des Arbeitslohnes, mit der die Steuer nach § 40a Abs. 2 EStG abgegolten ist.
Quellen:
[1] Vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV
[2] Vgl. Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen vom 16.08.2022, S. 30
[3] Vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.09.2017, 14-K-241/16, EFG-2018-0572
[4] Vgl. BSG-Urteil vom 27.06.2012, B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5
[5] Vgl. Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen vom 16.08.2022, S. 31