Inkongruente Gewinnausschüttung durch punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss
Die Gewinnverteilung an die Anteilseigner einer GmbH erfolgt nach § 29 Abs. 3 GmbHG grundsätzlich im Verhältnis der nominellen Beteiligung am Nennkapital. Davon abweichende sog. inkongruente bzw. disquotale Gewinnausschüttungen sind handelsrechtlich zulässig, wenn im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt wird.
Sieht der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung die Möglichkeit der inkongruenten Gewinnausschüttung nicht vor, kann die Satzung in der Regel auch nachträglich geändert werden. Ausnahmen können sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ergeben.
Um sich alle Optionen für die Zukunft offen zu halten und zur Vermeidung von Konflikten mit der Finanzverwaltung bei der Frage der steuerlichen Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung, sollte in der Satzung jeder GmbH eine sogenannte „Öffnungsklausel“ Sorge dafür tragen, dass unter bestimmten Voraussetzungen inkongruente
Gewinnausschüttungen zulässig sind.
Ist eine solche Regelung in der Satzung enthalten und wird ein der Satzung entsprechender Beschluss getroffen, ist die inkongruente Gewinnausschüttung gesellschaftsrechtlich wirksam. Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 19.09.1999 [1] entschieden, dass inkongruente Gewinnausschüttungen und inkongruente Wiedereinlagen steuerlich anzuerkennen sind und grds. auch dann keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO darstellen, wenn andere als steuerliche Gründe für solche Maßnahmen nicht ersichtlich sind. Das BMF hat mit Schreiben vom 17.12.2013 diese Rechtsauffassung bestätigt. [2] Soweit bleibt alles wie bisher.
Die Gründe für eine abweichende Gewinnverteilung sind vielfältig. Insbesondere bei der Abgeltung von persönlichen Leistungsbeiträgen können Sie einen Ausgleich zwischen den Gesellschaftern schaffen.
Tipp
Allerdings bleibt zu beachten, dass ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss, der einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründet, nichtig ist (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses), wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer
Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1, § 54 Abs. 1 GmbHG) eingehalten werden.
Das genannte BMF-Schreiben vom 04.09.2024 ersetzt das BMF-Schreiben vom 17.12.2013 und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Beispiel
Die Gesellschafter-Geschäftsführer X und Y sind mit jeweils 50% an der Z-GmbH beteiligt. Die Gewinnverteilung erfolgt gemäß Satzung im Verhältnis der nominellen Beteiligung am Nennkapital. Eine abweichende Regelung zur Gewinnverteilung wurde bisher nicht getroffen. Die Z-GmbH wird im Kalenderjahr 2024 einen ausschüttbaren Gewinn in Höhe von 100.000 Euro erwirtschaften. Beide Gesellschafter haben bisher lediglich ein Gesellschafter-Geschäftsführergehalt in Höhe von 2.500 Euro monatlich von der GmbH erhalten. Während X weitere Einkünfte im Kalenderjahr 2024 in Höhe von 150.000 Euro erzielt, handelt es sich bei Y um die einzigen Einkünfte. X widmete sich das gesamte Jahr seiner Familie und wirkte lediglich sporadisch im Unternehmen mit. Die Gesellschafter treffen daher im Dezember einen zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschluss über eine inkongruente Gewinnausschüttung, damit die persönlichen Leistungsbeiträge entsprechend bei den Gesellschaftern ankommen. Y erhält eine Vorabausschüttung in Höhe von 48.000 Euro und X eine in Höhe von 12.000 Euro.
Mit dem neuen BMF-Schreiben hat die Finanzverwaltung Rechtssicherheit geschaffen. Die inkongruente Gewinnausschüttung ist nach aktueller Verwaltungspraxis aufgrund des zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlusses steuerrechtlich anzuerkennen. Für die Gestaltungspraxis eröffnen sich daher noch in 2024 neue Möglichkeiten der Ausschüttung – auch ohne gesonderte Regelung in der Satzung -, um ggfs. Progressionsvorteile über eine Option zum Teileinkünfteverfahren abzuschöpfen. Sofern die Ausschüttung noch im Dezember erfolgt und ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt wird, wäre bei Y die Ausschüttung in Höhe von 48.000 Euro nicht mit 25%, sondern mit 48.000 Euro x 60% x seinem individuellen Steuersatz (ca. 32% auf die 28.800 Euro), also mit ca. 19% (60% x 32%) zu versteuern. Unter der Voraussetzung, dass das Einkommen von Y in 2025 steigen wird, macht eine Ausschüttung in 2024 aus steuerlicher Sicht Sinn.
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